(Job-)Ghosting – eine schmerzhafte Erfahrung

Mittlerweile ist der Begriff fest in der Recruiting-Welt etabliert und so gut wie jeder hat damit bereits Erfahrungen gemacht. Wenn Kandidaten sich ohne weitere Kontaktaufnahme aus dem Bewerbungsprozess herausnehmen, kann das unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen. Verzögert sich der gesamte Prozess, bedeutet das einen zeitliche gestiegenen Personalaufwand und schlichtweg auch höhere Kosten für das Unternehmen.

Auswirkungen von Ghosting

Für Recruiter ist das natürlich eine frustrierende Erfahrung. Ein solches Verhalten hindert sie schließlich daran, ihre Arbeit ordentlich zu erledigen. Das bestätigt auch Adriana Schwedt, Junior Recruiterin bei der KÖNIGSTEINER Services: „Ghosting ist ärgerlich für alle Beteiligten. Die Führungskraft blockt sich den Termin für die Bewerbungsgespräche und bereitet sich auf das Gespräch vor, genauso wie wir als HR.

Vor dem eigentlichen Bewerbungsgespräch liegen bereits etliche Arbeitsschritte, wie das Screening der Bewerbungsunterlagen und das Herausarbeiten der Fragen für die Bewerbenden. „Das Ghosting wirkt sich also negativ auf unsere aufgewendete Arbeitszeit aus“, so Adriana Schwedt. Noch dramatischer stellt die Lage sich dar, wenn es bereits zu einer Einstellung gekommen ist, diese aber einfach nicht wahrgenommen wird. Das kostet eine Menge Zeit, Ressourcen und auch Nerven.

Gründe für Ghosting im Bewerbungsprozess

Mit den tiefgreifenden Veränderungen der letzten Jahre auf dem Arbeitsmarkt sind Kandidaten mittlerweile häufiger in der Position, aus verschiedenen Angeboten auszuwählen. Das ist eine Entwicklung, die nicht nur die Arbeitswelt, sondern so gut wie alle Bereiche des Lebens betrifft. Im Informationszeitalter scheinen die Optionen endlos zu sein. Das erschwert eine nachhaltige und verbindliche Entscheidungsfindung.

Adriana Schwedt vermutet unter anderem folgende Gründe für derartiges Verhalten:

  • Bewerbende haben ein anderes Jobangebot erhalten bzw. angenommen
  • Der Termin wurde schlichtweg vergessen
  • Der Termin für das Interview liegt zu weit in der Zukunft (zu viel Zeit zwischen Erstkontakt und Interview)
  • Kein Interesse mehr
  • Erster Eindruck des Unternehmens war negativ


Die Gründe für die Verbreitung von Job-Ghosting nur in einem Mangel an Arbeitskräften und einem Überangebot an freien Stellen zu suchen, greift zu kurz. Darunter liegt ein gesamtgesellschaftlicher Wandel, der dazu führt, dass menschliche Beziehungen und Normen wie Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit neu definiert werden. Insofern müssen auch mögliche Lösungsansätze weiter gefasst werden.

Was tun? Wie man mit dem Phänomen auch umgehen kann

Nun ist es allerdings nicht so, dass ausschließlich Bewerbende die Unternehmen ghosten. Besonders in der Vergangenheit war der umgekehrte Fall keine Seltenheit. Als Unternehmen sollte man sich, wie so oft, auch hier kritisch selbst hinterfragen und einen Blick auf das eigene Verhalten werfen.

Aus einem negativen Phänomen kann man mit einer anderen Sichtweise also auch wichtige Erkenntnisse gewinnen, was auch Adriana Schwedt bestätigt: „Das Ghosting bringt auch positive Auswirkungen mit sich, da wir uns immer wieder selbst reflektieren, um die Gründe besser einordnen zu können. Es könnte an der Art und Weise der Kontaktaufnahme liegen, an der Dauer des Bewerbungsprozesses, dem Standort oder sogar dem ersten Eindruck, den wir als Unternehmen beim Bewerbenden hinterlassen. Dadurch hinterfragen wir unsere Stellenanzeigen und unser Vorgehen immer wieder.

Viele Angestellte haben in ihrem Leben die Erfahrung gemacht, in ihrem Job mehr oder weniger austauschbar zu sein. Oft werden sie auf ihre Funktion als Arbeitnehmer reduziert. Eine solche Arbeitskultur hat unter anderem zur Folge, dass keine besonders starke Bindung zu einem Unternehmen entstehen kann. Diese Erfahrungen, die auch der jüngeren Generation mit auf den Weg gegeben werden, können zu einer kritischen Haltung im Bewerbungsprozess führen und damit auch zu der Überzeugung, dass ein unverbindliches Verhalten vollkommen akzeptabel ist.

Wie es häufig der Fall ist, wenn sich komplexe Probleme stellen, gibt es auch hier kein einfaches und allumfassendes Patentrezept. Ein grundlegender Aspekt, der mittel- bis langfristig dazu beitragen kann, der aktuellen Entwicklung entgegenzuwirken, ist die vielbeschworene Unternehmenskultur. Hier kommt es entscheidend darauf an, dass Werte wie Respekt, Wertschätzung und Verbindlichkeit authentisch auf allen Ebenen gelebt werden.

Das beginnt beim Bewerbungsprozess und sollte sich konsequent durch alle Phasen ziehen. Für Adriana Schwedt ist es deshalb hilfreich, einen kritischen Blick auf die eigenen Prozesse zu werfen: „Zwischen Bewerbungseingang und Erstkontakt sollte keine große Zeitspanne liegen. Der Erstkontakt sollte auf jeden Fall persönlich erfolgen, um den Bewerbenden von Anfang an ein wertschätzendes Gefühl zu geben. Grundsätzlich ist es wünschenswert, sich als interessantes und respektvolles Unternehmen zu präsentieren.

Das Job-Ghosting wird sich vermutlich in der Recruitingwelt etablieren. Gerade deshalb ist es ratsam, einen nachhaltigen Umgang damit zu finden, um die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.